Das Internet ist ein großartiger Ort, an dem Kinder sich entwickeln und neues Wissen aneignen können. Aber es gibt auch Seiten im Internet, die Hass und Propaganda verbreiten. Warum passiert das so leicht? Menschen verhalten sich online anders als in der realen Welt. Sie neigen dazu, impulsiv zu handeln und unterliegen dem Enthemmungseffekt. Das heißt, sie halten sich weniger an soziale Normen, was Aggressionen leichter zulässt. „Wir sind taktloser im Umgang miteinander, haben viel weniger Hemmungen und tun Dinge im Internet oft mit größerer Intensität“, sagt Jarmila Tomkova. Daher ist es wahrscheinlicher, dass sich Menschen an der Verbreitung von Hass eher online als im wirklichen Leben beteiligen.
Online ist man auch weniger aufmerksam, wenn man die Nachrichten liest. Alles ist schnelllebig und mit vielen Informationen und Kommentaren gefüllt. Internetnutzer können unmöglich über alles kritisch nachdenken. Bevor Ihr Euren Kindern den Umgang mit Cyberhate beibringt, solltet Ihr ihnen diese Besonderheiten der Online-Welt erklären.
Da sich Informationen über das Internet sehr schnell verbreiten, ist Cyberhate potenziell schädlicher als Offline-Hassreden, da er mehr Menschen schneller erreichen kann. „Im Allgemeinen kann Cyberhate auf drei Ebenen schaden. Er schadet dem Einzelnen, der Gruppe, der das Opfer angehört, und der gesamten Gesellschaft im Allgemeinen, indem er eine Kultur des Hasses und der Intoleranz schafft“, so Tomkova. Ein Verhalten, das als Cyberhate eingestuft wird, kann schwerwiegende Folgen haben, die von Geldstrafen bis hin zu Gefängnisstrafen reichen.
Haben Eure Kinder Hassreden persönlich erlebt? Ratet ihnen, das Gespräch sachlich zu beenden
„Es ist gut, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen, aber gleichzeitig ist es auch nicht besser, passiv zu bleiben“, erläutert die Kinderpsychologin Jarmila Tomkova. Eure Kinder sollten wissen, wie sie eingreifen können, um das Gespräch zu beruhigen und sachlich zu beenden. „Der Hater will nicht zugeben, dass die andere Person Recht haben könnte; er will die Meinung des anderen nicht akzeptieren“, berichtet Tomkova. Manchmal fühlen sich sogar Zeugen bedroht und stellen sich auf die Seite des Stärkeren – in der Regel der des Täters. Erklärt Euren Kindern, warum sie einen Angreifer nicht unterstützen und lieber dem Opfer beistehen sollten.
Wenn Eure Kinder Zeugen von Hassreden werden, können sie ihre Ablehnung zum Ausdruck bringen, indem sie bspw. gemeinsam mit dem Opfer den Raum verlassen. In manchen Fällen kann Euer Kind das Opfer auch zur Polizei begleiten. „Wenn ich als Zeuge von Hass offline bereit bin, das Opfer zu begleiten, hilft das dem Opfer aus psychologischer Sicht. Opfer werden verstehen, dass sie nicht die Einzigen sind, die ein solches Verhalten für nicht in Ordnung halten. Wenn man sich für jemanden einsetzt, schafft man ein Bild der Unterstützung und Gerechtigkeit“, sagt Tomkova.
Im Allgemeinen ist es am wichtigsten, dass das Opfer nicht allein ist. Eure Kinder können die betroffene Person ermutigen, indem sie ihr zum Beispiel eine freundliche Nachricht hinterlassen. Euer Nachwuchs kann das Opfer dabei unterstützen, seine Gefühle mit seinen Eltern zu teilen, oder ihm helfen, sichere Anlaufstellen zu finden, an die sie sich wenden können. Das kann etwa eine Beratungsstelle oder ein Psychologe sein.
In der Schule sollte der Vorfall zunächst den Schulbehörden gemeldet werden. Die Einrichtung ist verpflichtet, gegen Mobbing und Hass vorzugehen und die Sicherheit der Kinder zu gewährleisten. Ein Lehrer oder Schulleiter sollte dann die Eltern und die Polizei kontaktieren. „Kinder haben vielleicht Angst, sich selbst an die Behörden zu wenden. Deshalb würde ich vorschlagen, Briefkästen für die anonyme Meldung solcher Situationen einzurichten“, erklärt die Psychologin.
Wird Euer Kind Zeuge von Hass im Internet? Stellt sicher, dass es die Administratoren der Website informiert
Wenn Euer Kind Zeuge von Cyberhate wird, sollte es den Post nicht teilen, liken oder mit einem Emoji antworten. Diese Aktionen tragen nur dazu bei, dass sich der Hass schneller verbreitet. Wenn sich Euer Nachwuchs entscheidet zu interagieren, sollte er zum Beispiel wie im richtigen Leben versuchen, das Gespräch zu beenden. Besprecht mit Euren Kindern, warum sie Hass online nicht einfach ignorieren sollten.
Euer Kind kann Screenshots von dem Cyberhate machen und den Vorfall den Administratoren melden. Je mehr Meldungen die Administratoren erhalten, desto eher werden sie sich mit dem Vorfall befassen. Es kann den Hater auch blockieren und den Administratoren erklären, warum es das tut. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Administratoren mit ähnlichen Anfragen überfordert sein können und möglicherweise nur langsam reagieren. Bei einer ernsten Situation empfiehlt sich, den Vorfall direkt bei der Polizei zu melden.
Ist Euer Kind ein Opfer von Hassreden oder Cyberhate? Ermutigt es, davon zu erzählen.
Versucht, eine offene Diskussion zu beginnen, Eurem Kind zuzuhören und seine Gefühle zu verstehen. Zeigt Euch besorgt und nehmt die Situation ernst. Als Erwachsene müssen wir den Vorfall aufklären und ein sicheres Umfeld schaffen, während wir unsere Kinder psychologisch unterstützen. Gemeinsam könnt Ihr den Vorfall den zuständigen Behörden melden und, falls nötig, psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Erklärt, warum Hassreden und Cyberhate nicht zu fairen Gesprächen gehören – und lasst Eure Kinder zu Vorbildern für andere werden.
Schon gewusst? Was ist der Unterschied zwischen Hassrede, Cyberhate und Cybermobbing?
Hassrede – Die Internationale Kooperation gegen Hass im Netz (INACH) definiert Hassrede als:
- beabsichtigte oder unbeabsichtigte öffentliche diskriminierende und/oder diffamierende Äußerungen
- absichtliche Aufstachelung zu Hass und/oder Gewalt und/oder Ausgrenzung aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Sprache, der Nationalität, der Hautfarbe, der religiösen Überzeugungen oder des Fehlens solcher Überzeugungen, des Geschlechts, der Geschlechtsidentität, der sexuellen Ausrichtung, der politischen Überzeugungen, des sozialen Status, der Geburt, des Alters, der geistigen oder körperlichen Gesundheit, einer Behinderung oder Krankheit einer Person oder Gruppe.
Cyberhate – Hassreden, die über elektronische Medien (z. B. per SMS) verbreitet werden. Wenn dies online geschieht, kann es als Online-Hassrede bezeichnet werden.
Cybermobbing – UNICEF definiert Cybermobbing als:
- Mobbing mit digitalen Technologien, einschließlich sozialer Medien, Messaging-Plattformen, Spieleplattformen und Mobiltelefonen.
- wiederholtes Verhalten, das darauf abzielt, die Zielperson zu verängstigen, zu verärgern oder zu beschämen.
- Im Gegensatz zu Hassreden muss der Mobber beim Cybermobbing sein Opfer nicht aufgrund seiner Identität diskriminieren. Daher gilt nicht jedes Cybermobbing als Cyberhate.