Dass Nils nach der Schule gleich in seinem Zimmer verschwindet, fällt seinen Eltern erst gar nicht auf. Dass er, bis vor kurzem noch Frühaufsteher, morgens nur mit Mühe aus dem Bett zu bekommen ist, erklären sie sich mit der einsetzenden Pubertät. Aber erklärt die auch Nils häufige Bauchschmerzen? Und seine steil abfallenden Noten?
Irgendwann dämmert seinen Eltern dann auch, dass Nils schon lange keine Freunde mehr mit nach Hause gebracht hat. Und auch nicht mehr raus geht. Und sein letzter Post auf TikTok liegt jetzt schon auch Monate zurück, fällt seinem Vater auf. Dann liest er die Kommentare unter dem - eigentlich witzigen - Clip, und spürt, wie sich sein Magen zusammenzieht. Nils wird gemobbt. Offenbar von Dutzenden, zumindest die Zahl der Kommentare lässt darauf schließen.
Cybermobbing kann jeden treffen
Nils Eltern fragen sich, warum ausgerechnet ihr Sohn gemobbt wird. Er war bis vor kurzem ganz gut in der Schule, aber sicher kein Streber. Im letzten Schuljahr wählten ihn seine Mitschüler noch zum Klassensprecher, der kontaktscheue Hinterbänkler war er auch nie. Weder seine Kleidung noch seine Frisur oder andere körperliche Merkmale unterscheiden ihn wesentlich von den anderen in seiner Klasse.
Tatsache ist, dass Kinder und Jugendliche zwar ein höheres Risiko haben, zu Opfern von Cybermobbing zu werden, wenn sie sich merklich von der Mehrheit unterscheiden; sei es durch Kleidung, Sprache, Verhalten oder Figur, dass es aber grundsätzlich jeden und jede treffen kann. Auch Jugendliche mit stabilem Selbstbewusstsein können zu Zielen werden.
Eine Studie des Bündnis gegen Cybermobbing aus dem Jahr 2020 verzeichnet zudem einen deutlichen Anstieg: „Die Zahl der Betroffenen ist seit 2017 um 36 Prozent angestiegen, von 12,7 Prozent in 2017 auf 17,3 Prozent in 2020. Fast zwei Millionen Schülerinnen und Schüler sind von Cybermobbing betroffen.“
Cybermobbing hat viele Gesichter
Nicht jeder unfreundliche Kommentar, nicht jeder Daumen nach unten ist gleich Mobbing. Cybermobbing ist Belästigung, Nötigung oder Diffamierung mit Hilfe elektronischer Kommunikationsmittel. Betroffene sind oft ständigen Schikanen in sozialen Netzwerken, etwa Instagram oder TikTok, ausgesetzt.
Diese Schikanen reichen von Beschimpfungen über Rufschädigungen bis hin zu systematischen Drohungen. Cybermobbing kann auch mit körperlicher Gewalt einher gehen: Beim „Happy Slapping“ etwa nehmen die Mobber ihre Prügelattacken mit Smartphones auf und laden die Videos anschließend in soziale Netze, um ihre Opfer zusätzlich bloßzustellen und zu verhöhnen.
Was Eltern tun können
Geduldig zuhören: Wenn Ihr den Verdacht habt, euer Sohn oder eure Tochter sei Opfer von Cybermobbing, sprecht euer Kind darauf an, aber erwartet keine sofortige umfassende Antwort. Wer Opfer von Mobbing geworden ist, steckt oft in einem Gefühlschaos und tut sich schwer, über die Situation zu reden. Auf gar keinen Fall solltet Ihr eurem Kind eine Mitschuld an der Situation suggerieren.
Kontakt zur Schule und zu den Eltern der Verantwortlichen aufnehmen: Lässt sich herausfinden, wer der Täter ist, sprecht mit dessen Eltern. Wendet euch außerdem an den Klassenlehrer oder an die Schulleitung, um mit ihnen gemeinsam nach Wegen zu suchen, die Situation abzustellen.
Screenshot machen, Nachrichten speichern: Der Impuls, alles, was mit dem Mobbing in Verbindung steht, zu löschen, ist verständlich, aber nicht zielführend. Strafrechtlich verfolgen lässt sich nur, was auch belegbar ist. Deshalb solltet Ihr die Mobbing-Inhalte dokumentieren und Notizen dazu anfertigen.
Den Plattformbetreiber informieren: Beleidigungen, Verleumdungen oder andere Diffamierungen muss der Betreiber löschen, gegebenenfalls gilt das auch für die Profile der Täter auf diesen Plattformen.
Strafanzeige stellen: Mitunter kann das der einzige Weg sein, Täter zur Einsicht zu bewegen. Hier kann ein Anwalt hilfreich sein. Grundsätzlich könnt Ihr aber auch ohne Rechtsbeistand zur Polizei gehen, um Strafanzeige zu erstatten.
Klar kommunizieren: Sprecht mit eurem Sohn oder eurer Tochter darüber, welche Schritte Ihr unternehmt, um das Mobbing zu beenden. Seid Anwälte eurer Kinder - gute Anwälte halten ihre Mandanten informiert.