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Sexuelle Belästigung im Internet: Was tun gegen Cyber-Grooming? Tipps von Kinderpsychologin Jarmila

PhDr. Jarmila Tomková | 13 Sep 2023
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Was tun, wenn man als Eltern feststellt, dass das Kind im Netz sexuell belästigt wurde? In einem Interview mit der Kinderpsychologin Jarmila Tomkova sprechen wir über erste Anzeichen, was in den Köpfen der Kinder vor sich geht und wie Ihr Eure Kids besser schützen könnt.

 

Immer mehr Kinder werden im Internet sexuell belästigt. Vor allem bei den Acht- bis Zwölfjährigen haben sich die Fallzahlen verzehnfacht, wie die aktuelle Studie der Medienanstalt NRW ergab. Besorgniserregend ist, dass jedes vierte Kind schon einmal von einem Erwachsenen zu einem Treffen aufgefordert wurde und auch ein Viertel der Kinder noch nie mit jemanden über das Thema Cyber-Grooming gesprochen hat. 

Ist es möglich, sexuelle Belästigung und Missbrauch im Netz zu verhindern?

Die Antwort lautet nein. Weder Tipps noch handfeste Verbote von Sozialen Medien oder Smartphones können Grooming gänzlich verhindern. Das Risiko besteht immer im Internet. „Was man tun kann ist, seine Kinder frühestmöglich über die genannten Themen aufzuklären und auf die Gefahren angemessen vorzubereiten“, erklärt Jarmila.

Gegen sexuelle Annäherungsversuche im Netz ist auch kein technisches Kraut gewachsen, womit sich Cyber-Grooming komplett unterbinden lässt. Chat-Funktionen und Online-Communities auf Sozialen Netzwerken, in Messengern und Games spielen Groomern dabei in die Hände. „Eltern sollten besonders Online-Spiele nicht unterschätzen. Es handelt sich hier im Grunde genauso um Soziale Medien wie Instagram, Tiktok & Co. Hier können Kinder chatten, Bilder versenden und das meistens ohne jegliche Moderation oder Altersprüfung“, gibt Ildikó Bruhns, Sicherheitsexpertin von Saferkidsonline.de zu bedenken. „Täter können in Spielen und auf Gaming-Plattformen schnell Kontakt herstellen und über das gemeinsame Spielen Vertrauen aufbauen, zum Beispiel, indem sie Lebenspunkte, In-Game-Währung oder ähnliches verschenken.“

Was sind erste Warnsignale?

 „Wenn Euer Kind zum Beispiel eine Textnachricht erhält und diese nicht sofort öffnet oder den Bildschirm verdeckt, um sie zu verstecken. Kritischere Anzeichen wären beispielsweise auch, wenn das Handy häufiger nachts oder nur in Abwesenheit von Erwachsenen benutzt wird", erklärt Jarmila  Tomkova. Ist Ihr Kind in Kontakt mit einem Täter/Groomer, wird es sich also anders oder ungewöhnlich verhalten als zuvor.

„Die Zeichen können äußerlich sichtbar sein, aber manche spürt das Kind nur innerlich. Eines der ersten sichtbaren und unsichtbaren Warnsignale dafür, dass das Kind belästigt oder missbraucht wird, ist sein Zögern, darüber zu sprechen. Die toxische Beziehung zum Täter gibt dem Kind das Gefühl, etwas falsch gemacht zu haben. Es ist also verängstigt und neigt dazu, sich vor den Eltern zu verschließen“, so Jarmila. „Sie fühlen sich oft ängstlich, nachdem sie mit dem Groomer gesprochen haben, was für die Eltern sichtbar sein kann", sagt Jarmila. "Das Kind verhält sich vielleicht unnahbar, zieht sich von der Gesellschaft zurück und gerät in mehr Konflikte. Nichts davon bedeutet jedoch für sich genommen, dass das Kind sexuell belästigt wird".

Schon bei diesen Warnsignalen diesem Fall solltet Ihr genauer hinschauen, wie sich Euer Kind verhält, mit ihnen sprechen und versuchen, präsenter zu sein. Es gibt noch eindeutigere Hinweise, zum Beispiel: „Wenn ein Kind ein Geschenk erhält, sei es etwas reales oder digitales, wie z. B. Leben oder Punkte in einem Spiel, ist das ein eindeutiges Warnsignal und sollte niemals unbemerkt bleiben. Jarmila erklärt auch: „Ein anderes Beispiel ist, wenn ein Kind sich mit jemandem trifft und es den Eltern nicht erzählt. Das sollte ein klarer Indikator dafür sein, dass etwas nicht stimmt."

                                                   

Was könnt Ihr tun?

Verwendet zum Beispiel  analoge Geschichten, Lehrvideos oder Eure eigenen Erfahrungen. "Wenn ein Elternteil den Verdacht hat, dass das eigene Kind mit einem Groomer zu tun haben könnte, ist es sehr wichtig, das Kind nicht unter Druck zu setzen. Statt es wie in einem Verhör zu befragen, ist es beispielsweise eine gute Idee, gemeinsam ein Video zu diesem Thema  anzuschauen. Auf diese Weise haben das Kind und die Eltern eher das Gefühl, eine gemeinsame Basis zu haben und darüber sprechen zu können.“

Im nächsten Schritt ist es ratsam, über eigene Erfahrungen sprechen. „Scheut Euch dabei nicht, eine Geschichte einfach zu erfinden. Sagt zum Beispiel, dass sich das Kind Eurer Freunde in einer ähnlichen Situation befand. Das vermittelt dem Kind das Gefühl, dass es mit dem Problem nicht alleine dasteht“, erklärt Jarmila. Auch wenn sich herausstellt, dass Euer Kind kein Opfer von Grooming geworden ist, sind die empfohlenen Schritte trotzdem hilfreich. Sie veranschaulichen Eurem Nachwuchs, dass so etwas jedem passieren kann. Gleichzeitig lernt Euer Kind, dass es keine Schande ist, mit den Eltern zu sprechen, wenn es an einen Groomer geraten sollte. Je weniger Ihr wertet, umso leichter wird es Eurem Nachwuchs fallen, darüber zu reden, selbst wenn es super unangenehm für ihn selbst ist. 

Seid nicht zu direkt 

Anstatt im Gespräch in die Vollen zu gehen, fragt doch Euer Kind stattdessen, ob es jemanden kennt, der in solch eine Situation geraten ist. Vielleicht ein Freund, eine Freundin oder generell jemand aus der Schule. „Nach einem Video über Grooming könnt Ihr durch eine wahre oder erfundene Geschichte näher zum persönlichen Umfeld des Kindes wechseln. Auch wenn Ihr über eigene Erfahrungen sprecht, bei denen Ihr von jemandem betrogen wurdet, kann das dem Nachwuchs Kind helfen, sich sicherer zu fühlen und sich zu öffnen", sagt Jarmila. „Alles in allem kann man davon ausgehen, dass Euer Kind früher oder später mit Euch sprechen wird. Auch wenn es in dem Moment vielleicht nicht den Anschein hat, die Körpersprache wird das Gegenteil verraten.“

Was, wenn sich das Kind nicht öffnet?

Sexuelle Übergriffe und Manipulation sind Themen, die mit vielen Stigmata und umso mehr für Kinder mit Scham behaftet sind. "Wir als Eltern haben die Verantwortung, unsere Kinder vor Schaden zu bewahren. Wenn es so weit kommt, halte ich es für richtig, wenn man das Kind ein wenig unter Druck setzt und es bittet, einen Blick auf das Handy zu werfen. Nur so können wir wissen, mit wem es schreibt und was es sich in den sozialen Medien anschaut", rät Jarmila. Der Schutz und die Sicherheit des Kindes sollten für die Eltern immer an erster Stelle stehen. Entscheidend ist, Wichtig ist, dass Ihr als Eltern Euer Handeln begründet und dem Kind zu verstehen gibt, dass es in dem Moment nicht bestraft wird.

                                     

"Manchmal kann es helfen, das Kind wissen zu lassen, dass es uns nicht sofort davon erzählen muss. Gebt ihm Zeit und vereinbart eine bestimmte Zeit in naher Zukunft, in der Ihr Euch unterhalten wollt. Es ist wichtig, dass Ihr als Eltern ruhig bleibt und Euer Kind nicht zu sehr unter Druck setzt. Möchte Euer Kind trotzdem nicht reden, ermutigt es, mit jemand anderem vertrauten Erwachsenen zu sprechen. Als Eltern ist es Eure wichtigste Aufgabe, dass Ihr für Eure Kinder da seid. Gebt ihnen zu verstehen, dass Ihr Euch Sorgen macht und nur das Beste für sie wollet und deswegen so handelt. Macht ihnen klar, dass es viele Menschen gibt, die auf diese Weise getäuscht werden und es nicht ungewöhnlich ist, dass wir Menschen glauben und sie uns enttäuschen.“

Die Kontaktaufnahme

Wie findet ein Kind heraus, mit wem es spricht? Der erste Schritt beim Grooming  besteht darin, dass der Täter versucht, Vertrauen zum Kind aufzubauen. Das Kind wird beispielsweise davon überzeugt, dass sein Gegenüber es mag und es ihm wichtig ist. „Hier ist es wirklich entscheidend, dass dem Kind bewusst ist, wo die Grenzen eines freundschaftlichen Gesprächs liegen. Es ist nicht normal, dass ein vermeintlicher Online-Freund seine Gespräche geheim halten will oder nach privaten Familienverhältnissen fragt. Das sind alles Anzeichen, bei denen ein Kind der Unterhaltung mit Vorsicht begegnen sollte", erklärt Jarmila.

Erfahre hier mehr über die gängigen Maschen der Groomer

Schöpft das Kind Verdacht, sollte es Screenshots machen. Das ist eine gute Art Beweise zu sammeln. Nicht nur beim Thema Grooming, z.B. auch bei Cybermobbing oder seltsamen Aktivitäten. Dabei ist es auch nicht entscheidend, ob es sich damit direkt an die Eltern wendet. „Tu niemals Dinge, die du vor deiner Familie und deinen Freunden verbergen würdest oder Dinge, die dir Unbehagen bereiten. Das sind zwei grundlegende Grenzen, die sowohl online als auch offline gelten", verdeutlicht Jarmila.

Mama, Papa… Ich glaube, ich habe Mist gebaut

Es ist sehr wichtig, Eurem Kind zu sagen, dass es nichts falsch gemacht hat. „Macht ihm klar, dass jedem Fehler passieren und dass es nicht seine Schuld ist. Jeder kann manipuliert werden, vor allem von einem Profi, wie es Grooming-Täter sind. Wenn das Kind zu uns kommt und uns erzählt, was los ist, neigen viele Eltern dazu, ihm das Smartphone wegzunehmen. Bitte tut das nicht. Das Kind ist das Opfer und sollte nicht bestraft werden. Bietet stattdessen Eure Hilfe an. Sucht einen Fachmann auf und lasst Euer Kind als auch Euch selbst für Gefahren und Risiken der digitalen Welt sensibilisieren und schulen", rät Jarmila.

Wenn Ihr sicherstellen wollt, dass Euer Kind sich gehört und verstanden fühlt, funktioniert dies nur über Akzeptanz und viel Liebe. Euer Nachwuchs sollte nur Positives damit verbinden, mit seinen Eltern reden zu können und das keine Strafe ist. Schließlich ist es auch unsere Aufgabe als Eltern, sie sicher auf die digitale Welt vorzubereiten.

Elterliche Aufklärung und Prävention ist entscheidend

Weder Einschränkungen noch ein Verbot von Handy oder Sozialen Medien können Cyber-Grooming gänzlich unterbinden. „Was man als Eltern tun kann, ist seine Kinder frühestmöglich über solche Themen aufzuklären und auf die Gefahren angemessen vorzubereiten“, erklärt Sicherheitsexpertin Ildikó Bruhns. So gibt es zum Beispiel drei Sicherheitsstufen beim Versand von Bildern. „Ermutigen Sie Ihre Kinder, den riskantesten davon zu vermeiden, nämlich Fotos mit erkennbarem Gesicht oder persönlichen Merkmalen zu verschicken. Sicherer ist es, anonymisierte Bilder ohne Erkennungsmerkmale zu versenden, am sichersten am Ende gar keine Bilder zu übermitteln.“

Hier findet Ihr 8 hilfreiche Tipps von Ildikó & Jarmila

• Sprecht mit euren Kindern darüber, was online und offline passiert – beschränkt das Gespräch nicht nur darauf, was in der Schule vorgefallen ist. Auch wenn es Euch als besorgten Eltern schwerfällt: Verhöre machen alles nur schlimmer. Je weniger Ihr in der Situation wertet und Euer Kind unter Druck setzt, umso leichter wird es ihm fallen, über das Thema zu reden.

• Bringt Eurem Kind bei, wo die Grenzen bei einem freundschaftlichen Gespräch liegen. Sollte der angebliche Freund im Chat nach privaten Familienverhältnissen fragen oder darauf bestehen, die Unterhaltung vor den Eltern geheim zu halten, sollte Euer Nachwuchs den Kontakt sofort abbrechen.

• Nutzt Sicherheits- und Privatsphäreeinstellungen bei Instagram, TikTok, Games & Co. So könnt Ihr zumindest Kontaktaufnahmen durch Fremde beschränken/unterbinden und das Profil Eures Kindes nur für Freunde zugänglich machen.

• Euer Nachwuchs sollte keine Standortinformationen, etwa durch Live-Bilder, posten. Auch Kontaktdaten wie Telefonnummern oder Messnger IDs haben in Postings nichts verloren. Groomer versuchen, die Gespräche abseits der Plattformen weiterzuführen. Und NIE sollte sich das Kind mit einem Fremden alleine treffen.

• Schafft bei Eurem Kind ein Problembewusstsein. Sprecht darüber, dass nicht alle Menschen im Internet nur Gutes wollen. Häufig ist das Gegenüber nicht das, wofür es sich ausgibt. Profile auf Sozialen Medien und Gaming-Plattformen können gefälscht, Bilder geklaut und Übertragungen per Webcam abgefilmt sein.

• Verwendet eine Kindersicherung. So könnt Ihr bspw. die Nutzungszeit begrenzen und bestimmte Webseiten blockieren. Entscheidend ist, Eurem Nachwuchs nicht einfach das Handy mit der aktivierten Kindersicherung einfach in die Hand zu drücken, sondern ihm erklären, wozu sie gut ist und was sie bewirkt. Am besten findet Ihr einen Weg, gemeinsam die Funktionen "auszuhandeln". 

• Bringt Eurem Kind „Nein sagen“ bei. Wehren sich Heranwachsende von Anfang an gegen diese Annäherungsversuche, werden sie für Groomer schnell uninteressant.

• Eltern sind Vorbilder und Vorreiter in der Familie. Sie legen fest, worüber gesprochen wird und welche Themen tabu sind.

• Baut von klein auf Vertrauen zu Euren Kindern auf. Stellt sicher, dass Euer Kind versteht, dass es mit allen Themen zu Euch kommen kann.

• Sprecht über eigene Fehler – das Leben besteht aus Höhen und Tiefen. Es ist gut, unseren Kindern zu zeigen, dass wir genauso Fehler machen wie sie.

• Bildet Euch selbst und Euer Kind weiter – richtet Euch beispielsweise ein TikTok-Konto ein. Dadurch lernt Ihr eine Plattform besser kennen, was Euch zunutze kommt, wenn dort ein Problem auftaucht.

• Macht etwas zusammen – spielt gemeinsam Online-Spiele oder schaut einen Stream.

 

Über den Autor

PhDr. Jarmila Tomková /
Psychologin

Jarmila ist eine angesehene Psychologin in der Slowakei...

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